Für Zuschauer ab 7 Jahren

Eine Produktion des Ensemble Materialtheater Stuttgart & Théâtre Octobre Brüssel in Koproduktion mit dem FITZ! Zentrum für Figurentheater Stuttgart. Gefördert vom Kulturamt der Stadt Stuttgart und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg.

„Die jungen Leute haben die Kraft und die Kreativität, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Ihnen sage ich: Ihr seid ein Geschenk für eure Gesellschaft, ja für die Welt. Ihr seid unsere Hoffnung und unsere Zukunft.“ Wangari Maathai, Friedensnobelpreisträgerin 2004

Seltsam, so etwas gibt’s doch nur im Traum, dass man aufwacht, meint man ist in seinem Zimmer im eigenen Bett, aber man ist ganz woanders, nicht mal mehr im eigenen Land, sondern in einer fremden Welt, auf der anderen Seite der Erde…„Wie komme ich hierher und wie wieder weg“, denkt sich die neunjährige Elisabeth, als sie neben einem unbekannten Jungen wach wird und vor dem Haus nicht das Auto ihrer Eltern steht, sondern drei Ziegen grasen. Zum Glück ist Fazil sehr nett und spricht erstaunlicher Weise die gleiche Sprache und auch seine Familie nimmt sie freundlich auf. „Wir wissen zwar nicht, warum du hier bist, aber es muss dafür einen guten Grund geben und solange du hier bist, teilen wir mit dir, was wir haben.“ So lernt Elisabeth Fazils Alltag kennen, geht mit ihm Ziegen hüten, erfährt etwas von seinen Träumen und darüber, dass man in Deckung gehen muss, weil es in diesem Land manchmal Steine vom Himmel regnet. Doch dann ist sie plötzlich wieder bei sich zuhause. Mathetest und Flötenunterricht sind wieder da, Hitze, Trockenheit und Ziegen verschwunden, nur jemand fehlt…Elisabeth versucht sich zurück zu träumen, doch es ist nicht leicht, einen Traum zweimal zu träumen. Es sei denn, jemand anders träumt ihn…

Nach den international sehr erfolgreichen Kinder- und Familienproduktionen “Georg in der Garage” zum Thema Schüchternheit, “Ernesto Hase hat ein Loch in der Tasche” über Armut und Exil und dem Kinderstück „Das Mädchen im Löwenkäfig“ über den Zusammenhalt einer kleinen Gemeinschaft, geht es in „Traumkreuzung“ um die Begegnung und Freundschaft zweier Kinder aus unterschiedlichen Kulturkreisen.

Während das eine Kind in der Stadt lebt und zur Schule geht, ist das andere Kind auf dem Land zuhause und muss den ganzen Tag arbeiten. Doch vieles haben sie auch gemeinsam, den Wunsch zu spielen, zu lachen, zu lernen und von einer Welt für alle zu träumen. In Zeiten, in denen Ängste und Vorurteile gegenüber Fremden sich verfestigen, erscheint es uns wichtig, einzutreten für das Kennenlernen, das Entdecken, die Neugier auf eine andere Kultur. Denn uns alle verbindet mehr, als uns trennt!

Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen beschützt das Recht des Kindes auf seinen freien Willen, auf seine freie Meinungsäußerung, auf Ruhe und Freizeit, auf Spiel und altersgemäße Erholung sowie das Recht auf kulturelle und künstlerische Betätigung. Diese Kinderrechtskonvention, die von den meisten Staaten der Welt unterzeichnet wurde, achtet Kinder als souveräne, selbst bestimmte Menschen! Und diese wünschen sich, ‚ihre Welt‘ neu gestalten zu dürfen.

Regie führte bei Traumkreuzung, unserer langjähriger Regisseur und Schauspielkollege Alberto García Sánchez, der ein Meister im Verweben von Erzähl- und Spielebenen ist, und der 2011 mit dem renommierten französischen Theaterpreis „Molière Jeune Public“ ausgezeichnet wurde.

Selbstverständlichkeiten geraten ins Wanken

STUTTGARTER NACHRICHTREN von Brigitte Jähnigen 01. Dezember 2015 – Was passiert, wenn sich Träume und Realitäten kreuzen? Zwei Kinder, zwei Lebenswelten: Beginnend mit dem Ton einer weit in den Raum nachhallenden Klangschale, erzählt das Ensemble Materialtheater Stuttgart & Théatre Octobre Brüssel in epischen Bildern von Elisabeth und Fazil. Die Nase winzig rund, Augen und Mund aufgezeichnet, leben die Figuren auf den Handflächen der Spielerinnen Sigrun Kilger und Annette Scheibler. Zwischen mobilen Bühnenelementen, die wie von Zauberhand an feinsten Fäden versetzt werden, erleben die Zuschauer Kontraste: Hier Mitteleuropa, da Orient. Musiker Daniel Kartmann wechselt mit den Skalen, gespielt auf Metallofon, Zimbal und Altblockflöte, auch musikalisch die Klimazonen. Elisabeth glaubt zu träumen, doch dann meckern tatsächlich drei Ziegen vor Fazils Haus.  Anspruchsvoll im Erzählstoff, sinnlich mit wenigen Requisiten, humorvoll in den Worten und niemals hastend schreibt das Ensemble in der Regie von Alberto Garcia Sánchez die Geschichte mit Live-Musik fort, die sich von kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten nährt. Glühend beneidet Fazil Elisabeth, dass sie zur Schule gehen darf, während er schwere „Steine“ schleppen muss, die „riesige schwarze Wolken auf das dörfliche Feld spucken“. Das Trio erzählt kindgemäß, erzeugt keine Angst, sondern vermittelt, wie ein Perspektivwechsel scheinbare Wahrheiten relativieren kann. Selbstverständlichkeiten geraten ins Wanken, wenn der nächste Bus erst in einer Woche kommt, Wasser knapp ist und Kinderarbeit Alltag.

 

Das Ensemble Materialtheater führt in eine andere Welt durch die Magie des Spiels

FIDENA DAS PORTAL DIE AKTUELLE KRITIK von Manfred Jahnke – Diese Geschichte könnte überall auf der Welt geschehen. Konsequent erzählen Sigrun Kilger, Annette Scheibler und Daniel Kartmann vom Ensemble Materialtheater Stuttgart und dem Théatre Octobre aus Brüssel zum Ton von Klangschalen erst einmal Geschichten von Beziehungen zwischen Eltern und Kinder aus aller Welt, bevor die eigentliche von Elisabeth beginnt. Das Mädchen schläft am Abend in ihrem Bett ein, beschäftigt mit dem drohenden Mathetest und vor allen Dingen mit der Vorstellung, wie zwischen A und B eine gerade Linie bestehen soll. Am nächsten Morgen aber findet sie sich nicht mehr in ihrem Zimmer wieder, sondern irgendwo auf der anderen Seite der Welt, neben Fazil und seinen drei Schwestern und ihrem Vater. Statt dem Auto ihrer Mutter vor dem Haus stehen nun dort drei Ziegen. Sie lässt sich neugierig auf diese neue  Wirklichkeit ein, zwischen Elisabeth und Fazil entsteht eine tiefe Freundschaft.

„Traumkreuzung“ spielt mit den Ebenen Traum und Wirklichkeit und gründet damit eine eigenartige Zwischenwelt, die niemanden unverändert lässt – und auch nur funktioniert, wenn sich die Träume verschiedener Menschen kreuzen. Das Ensemble Materialtheater lässt diese Welt auf magisch einfache Weise entstehen. In der Welt der Elisabeth herrscht die Farbe Türkis vor, in der anderen die Farbe Gelb. Der Spielraum wird zunächst von vier dünnen biegbaren Brettchen angedeutet, hinten in der Mitte hat Daniel Kartmann seine Musikecke eingerichtet, u.a. mit Klangschalen und Xylophon. Neue Räumlichkeiten werden durch Veränderungen in der Anordnung der Brettchen vom Ensemble selbst geschaffen. Zwei spitz zulaufende Brettchen deuten zusammen mit einer kleinen schwarzen Kommode und einem Hocker die Stadt an, für das außereuropäische Dorf deutet sich ein Zelt an. Ansonsten kommt dieses Spiel mit wenigen weiteren Requisiten aus, so dass ein hohes Spieltempo entstehen kann.

Sigrun Kilger, Annette Scheibler und Daniel Kartmann, der auch die Musik komponiert hat, treten nicht nur als freundlich dem Publikum zugewandte Erzähler auf, sondern haben darüber hinaus eine klare Haltung zu ihrer Geschichte, die sie humorvoll, fast augenzwinkernd erzählen. Und sie tun es mit einfachsten, aber nachdrücklichen Mitteln: Die Hände der drei Mitwirkenden verwandeln sich in die Gesichter von Elisabeth, Fazil und seinen Schwestern. Auf die Handinnenfläche sind Mund und Augen gemalt mit einer Nase aus Plastik – wieder türkis für die abendländische Welt, rot für die „gelbe“ Welt. Die Ziegen werden mit den Fingern dargestellt. Das alles hat einen hohen ästhetischen Reiz.

Zusammen mit dem Ensemble Materialtheater hat Alberto Garcia Sánchez seine Spielweise weiter entwickelt, die von der Leichtigkeit des scheinbar Improvisatorischen getragen wird und dabei eine wundersame Magie entwickelt. Und dies bei einer Geschichte, die für das gegenseitige Verständnis der Kulturen wirbt, von Schule und Kinderarbeit berichtet und davon, wie schön es ist, dass die Welt „bunt“ ist. Das ist gelungen, zumal diese Spielweise verhindert, dass das Spiel im Gutgemeinten hängen bleibt. „Traumkreuzung“ macht mit seiner Leichtigkeit nachdenklich.

Die Fantasie trägt um die Welt – Großartiger Auftakt: „Traumkreuzung“ beim Festival „Luaga und Losna“

Vorarlberger Nachrichten von Christa Dietrich 21. Juni 2016 – Dass man bei aller Buntheit, für die das Kinder- und Jugendtheaterfestival seit Jahrzehnten steht, heuer auch sehr ernste Themen angeht und diese ungemein klug und keinesfalls niederdrückend aufzuzeigen versteht, verdeutlichte am Vormittag das ebenfalls in Deutschland beheimatete Ensemble „Materialtheater“ mit „Traumkreuzung“. Damit ist der denkbar beste Auftakt einer Reihe gelungen, in deren Rahmen nicht nur eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Texten und Theaterästhetik stattfindet, sondern auch mit brisanten Inhalten. Allein mit Gesten, Farbsymbolik und äußerst reduzierten Handpuppen führt das erwähnte „Materialtheater“ um die Welt. Während die kleine Elisabeth in ihrer Stadtwohnung irgendwo in Mitteleuropa aufgeregt einem Mathematiktest entgegensieht, bangt der kleine Fazyl in einer kargen Gegend, in der eine Familie gerade einmal ein paar Ziegen hat, das fremde Kind aber äußerst herzlich aufnimmt, an sich um das nackte Überleben, spuckt doch ein Ungeheuer namens Krieg Steine vom Himmel. Dass im Leben Mitgefühl, Flexibilität im Denken und auch Fantasie gefragt sind, hat das kleinere Publikum hier intuitiv erfahren können.