ein bitterböses Märchen nach Hans Fallada

Märchen“ (mhd. ‘Maere’) bedeutet seltsame Erzählung. Also Geschichten, in denen unwahrscheinliche Dinge geschehen, Tiere sprechen, Ort- und Zeitangaben sehr ungenau sind und es klare Gegensätze gibt: Arm-Reich, Schwarz-Weiß. Wer böse ist, ist wirklich böse. Und wer gut ist, muss aufpassen, dass er oder sie gut bleibt. Aber wenn das Böse am Ende verschwindet, verschwindet es auf Nimmerwiedersehen. Eine beruhigende Vorstellung!

Gemeinsam mit einem virtuosen, aber undurchsichtigen Musikkapellenautomaten, der die ganze Bandbreite der emotionalen Gefühlspalette aufspielen kann, erzählen zwei anarchisch altmodische Damen mit bissigem Humor und poetischer Wucht die düstere Parabel, die Hans Fallada 1938 geschrieben hat. Sie nehmen sich der armen Waisen Anna-Barbara an, die sich beim eigenartigen, ausgezehrten Hans Geiz verdingt, um von ihm den „goldenen Taler“ als Lohn zu erhalten und dafür bereit ist, sich unter der Erde in einem dunklen Loch einkerkern zu lassen, um Unmengen von schmutzigen Geldstücken zu polieren. Das geht nur, indem sie ein aus der Not geborenes Zweckbündnis mit einem cholerischen Putzmännlein eingeht – das aber auch seine Bedingungen stellt. Ziehen Sie sich also warm an! Es ist keine heitere Kinderwelt, wir tauchen ab in die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche und befassen uns mit der drängenden Frage, ob unser Schicksal vorbestimmt ist, oder ob es sich lohnt, sich den dunklen Mächten, die scheinbar alle Fäden unseres Glücks in den Händen halten, frech entgegen zu treten und zu sagen: Ich ändere ab heute die Spielregel! Denn erst als Anna-Barbara durchschaut, dass ihr Arbeitsgeber mit gezinkten Karten spielt und seine Versprechungen falsch sind und fatale Konsequenzen haben, kann sie eine freie Entscheidung treffen – für etwas, das erstmal keinen Vorteil verspricht, für ein universelles Prinzip…

Eine Produktion des Ensemble Materialtheater Stuttgart in Kooperation  mit dem Théâtre Octobre Brüssel. Gefördert vom Kulturamt der Stadt Stuttgart und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst